Tauglichkeitstests nach 350 Jahren
16.12.2008Dreieinhalb Jahrhunderte nach ihrer Entstehung haben Informatiker der Uni Würzburg Maschinenzeichnungen des Würzburger Professors für Mathematik und Physik Kaspar Schott (1606 - 1666) erstmals einem „virtuellen Tauglichkeitstest“ unterworfen. Die Ergebnisse sind im Internet zu besichtigen.
Im Jahr 1606 wurde Kaspar Schott in Königshofen, im Grabfeld, geboren. Als 19-Jähriger trat er dem Jesuitenorden bei; nach seiner Ausbildung, die ihn unter anderem nach Rom und Mainz führte, kam er 1655 an die Würzburg Universität, als „Professor der mathematischen Wissenschaften“. Der Plural ist richtig. Denn zur Mathematik zählten zur damaligen Zeit weit mehr Fachgebiete als heute. Optik, Akustik und Mechanik fielen ebenso darunter wie Astronomie, Geographie und Zeiterfassung. Mit Musik- und Architekturtheorie mussten sich Mathematiker auskennen; Begeisterung für Technik gehörte quasi zur Grundvoraussetzung.
Ein Werk von mehr als 10.000 Seiten
Was Schott noch heute so interessant macht, ist seine gewaltige schriftstellerische Tätigkeit. Insgesamt verfasste er in nur zehn Jahren ein Werk von über 10.000 Seiten – ohne Schreibmaschine und Computer –, das zudem mit zahlreichen technischen Zeichnungen bebildert ist. Diese Zeichnungen haben jetzt das Interesse von Würzburger Informatik-Studenten geweckt.
Konstruktionsentwürfe im Praxistest
Fünf in der Uni-Bibliothek Würzburg verwahrte Maschinenzeichnungen von Kaspar Schott haben die Studenten am Lehrstuhl für Informatik II als animierte „Virtual-Reality-Modelle“ nachgebaut. 25 sollen es einmal werden, denn so viele Konstruktionsentwürfe aus dem 17. Jahrhundert haben sich in der UB erhalten. Und unerbittlich wird deutlich, dass manche Maschine wohl so nicht über einen Prototypen hinaus gekommen wäre: Schott hat anscheinend manchmal nur spielerisch mit Zahnrädern, Keilriemen, Pumpen oder Wasserrädern experimentiert. Einen Praxistest hätten viele seiner Maschinen nur bedingt bestanden; was der Originalität der Entwürfe und dem Genie Kaspar Schotts allerdings keinen Abbruch tut.
Ein Internet-Portal zu Kaspar Schott
Eingebettet sind die Animationen der Kraft- und Wassermaschinen sowie Hebe- und Mühlenwerke in ein kleines Portal, das das umfangreiche Werk Kaspar Schotts in Volltexten anbietet. Im Zentrum stehen dabei drei von der UB Würzburg digitalisierte Werke: Schotts „Anatomia physico-hydrostatica“, ein Buch über Gewässer, Quellen und Meere, seine „Ioco-Seria“, eine populär gehaltene, halb scherz-, halb ernsthafte Einführung in Mathematik und Naturwissenschaften in 300 Aufgaben, und die „Mathesis caesarea“, die in den Gebrauch des Proportionalzirkels einführt.
Das Portal Kaspar Schott entstand im Nachgang zu der erfolgreichen UB-Ausstellung „wunderbar berechenbar“, die Professor Hans-Joachim Vollrath zu Beginn dieses Jahres dem Leben und Werk des berühmten Würzburgers widmete. Damit sind einige weitere Mosaiksteinchen aus dem Schott’schen Werke-Kosmos nun didaktisch aufbereitet im WWW nutzbar und das Gesamtbild des vielseitigen Jesuiten, den Umberto-Eco-Leser vielleicht als „Pater Caspar Wanderdrossel“ aus dem Roman „Die Insel des letzten Tages“ kennen, wird um eine weitere Facette bereichert.
Schott selbst hat seine schriftstellerische Tätigkeit angeblich nicht gut getan: Fast wie besessen soll er an seinen Büchern gearbeitet haben – ohne Rücksicht auf die eigene Gesundheit. So kräftezehrend soll das Schreiben gewesen sein, dass er am 22. Mai 1666 bereits im Alter von 58 Jahren stirbt. Weder sein genauer Todesort, noch sein Grab sind heute bekannt. Die animierten Modelle zu Schotts „Machinae Artificiales“ sind unter der Adresse des Schott-Portals zu sehen: www.schott.franconica.de
Kontakt:
Prof. Dr. Jürgen Albert, T: (0931) 31-86600, E-Mail: albert@informatik.uni-wuerzburg.de
Dr. Hans-Günter Schmidt, T: (0931) 888 5964, E-Mail: schmidt@bibliothek.uni-wuerzburg.de
Weitere Bilder
Zurück